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Barrierefreie Arztpraxen? Kein Fortschritt in Sicht!

Sigrid Arnad an einem Schreibtisch sitzend auf dem die Tastatur eines Computers zu sehen ist. Im Hintergrund Bücherregal
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Foto: ISL

Berlin (kobinet) "Die Bundesregierung zeigt keinerlei Interesse, die für behinderte Menschen höchst angespannte Situation im Gesundheitswesen zeitnah zu entschärfen“, kritisiert Prof. Dr. Sigrid Arnade, Vorstandsfrau im NETZWERK ARTIKEL 3 angesichts der Beantwortung der Bundesregierung der Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion "Menschen mit Behinderungen im deutschen Gesundheitswesen“ (BT-Drucksache 20/6779).

Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung sei ein Aktionsplan für ein „inklusives, diverses und barrierefreies Gesundheitswesen“ bis Ende 2022 angekündigt worden, der mit den Beteiligten erarbeitet werden sollte. Danach gefragt habe die Bundesregierung lediglich angekündigt, eine Auftaktveranstaltung zu planen, um den Beteiligungsprozess bei der Erarbeitung des Aktionsplans einzuleiten. „Deutlicher hätte die Bundesregierung nicht ausdrücken können, dass es ihr völlig egal ist, was im Koalitionsvertrag steht“, ärgert sich die Vorstandsfrau des NETZWERK ARTIKEL 3. „So wird in dieser Legislaturperiode aus dem Aktionsplan jedenfalls nichts mehr.“

Nach barrierefreien gynäkologischen und urologischen Arztpraxen befragt, habe die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (BMG) lapidar auf ein Register der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) verwiesen, das auf Selbstauskünften von Ärzt*innen beruht. Wenn aus einer Liste nur ein Merkmal von Barrierefreiheit gegeben sei, gelte die Praxis bereits als barrierefrei. Prof. Dr. Sigrid Arnade wundert sich, dass bei dieser Art von Zählung nicht 100 Prozent der Praxen als barrierefrei bezeichnet werden, da eines der Kriterien beispielsweise die Kommunikation per SMS, Fax oder E-Mail, ein anderes das Vorhandensein von Parkplätzen ist.

„Die eklatante Mangelversorgung in der Gynäkologie mit bundesweit nur 3 – 5 barrierefreien Praxen lässt sich so jedenfalls weder erfassen noch bekämpfen“, weiß Arnade. „Gefragt nach Verbesserungsoptionen erdreistet sich die Bundesregierung sogar, auf den Aktionsplan zu verweisen, wohl wissend, dass es diesen in absehbarer Zeit nicht geben wird.“

Auch die Antworten auf die Fragen nach der Selbstbestimmung beim Persönlichen Budget laufen nach Ansicht der Vorstandsfrau des NETZWERK ARTIKEL 3 ins Leere: „Die Antworten bleiben schwammig, verschwurbelt und unkonkret“, so Arnade. „Man hat den Eindruck, die Probleme behinderter Menschen im Gesundheitssystem interessieren das BMG trotz gegenteiliger Lippenbekenntnisse keinen Deut“.

Das NETZWERK ARTIKEL 3 – Verein für Menschenrechte und Gleichstellung Behinderter ist ein bundesweit arbeitendes Netzwerk der Gleichstellungsinitiativen, das sich einer menschenrechtsorientierten Sichtweise von Behindertenpolitik verschrieben hat.

Link zum kobinet-Bericht vom 1.6.2023 „Ampel-Koalition schiebt barrierefreies Gesundheitssystem auf lange Bank“

Lesermeinungen

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Uwe N.
06.06.2023 08:37

Ansich ein guter beitrag…… Jedoch:
Man sollte im ersten Schritt mal dafür sorgen, dass begriffe wie „Barrierefrei“ richt definiert werden und dann eben auch entsprechend eingesetzt werden.
es ist extrem schwierig wenn man im bauwesen beispielsweise sagt „Barrierefrei“ dann aber nur auf verbreiterte Türen und die Entfernung von Stolperfallen achtet! Das ist nicht mal im Ansatz Barrierefrei…….
Barrierefreiheit muss IMMER Individuell sein!! Sie muss immer so angelegt sein, das sie für jeden greifen kann!! Man kann demnach keinen „Standart“ für Barrierefreiheit festlegen………
Oder sehe ich da was falsch?

Marion
Antwort auf  Uwe N.
07.06.2023 10:22

Endlich mal jemand der das anspricht. Das stört mich schon lange, auch an Kobinet, dass bei Barrierefreiheit immer die Verbindung mit „Rollstuhl“, „Sehbehinderung“ oder „Leichte Sprache“, gebracht wird

Kobinet hat sich ja schon lange als „Blog“ geoutet, denn fernab von Nachrichten. Das ist okay, sollte man dann aber auch zu stehen. Okay deshalb, weil als Verein braucht man sich, wenn man verdeutlicht das man KEINE „Tagesaktuelle Nachrichten“ ist, nicht mehr an die medialen Regularien halten. Ich schreibs deshalb, weil Kobinet dann endlich das tun könnte, was wir brauchen:

-Vereine die sich um die Belange behinderter Menschen bemühen.
-Vereine die Barrierefreiheit mit Weitsichtigkeit betrachten.
-Vereine die aber auch wissen, wo die Abgrenzung zwischen Landes- und Bundespolitik ist.

Zugegeben: Für Kobinet hätte es Nachteile, da sie viel Material nicht mehr verwenden dürften, da es den vorbehalten sind, die auch als Pressemedium legitimiert und akkreditiert sind. Für Menschen mit Behinderungen hätte das aber den Vorteil, dass es vielleicht noch einen weiteren Kämpfer gibt, der sich für die Behindertenpolitik einsetzt und vielleicht auch dafür, dass echte Barrierefreiheit zur Realität wird. Zwar wäre das kein Kampf auf Bundesebene, dafür gibt es bereits genügend Verbände, aber auf Länderebene, denn für die Umsetzung der Gesetze sind nun mal die einzelnen Bundesländer verantwortlich.

Genau da sich wir dann wieder bei der Drucksache 20/6779 – Eine Bilanz, die verdeutlicht wie viel auf Länderebene getan werden muss.

Uwe N.
Antwort auf  Marion
12.06.2023 13:29

Hallo Marion.

Es liegt wohl „in der Natur des Menschen“, das so zu sehen…… 😉

Mich stört es schon seit langem, gerade im Bauwesen! Hier findet man ja diese Berühmt berüchtigte DIN keine Ahnung was die für eine Nummer hat… Jedenfalls wird dort darauf hingewiesen, dass Türen insgesamt verbreitert werden sollen um BARRIEREFREI zu sein….. genauer gesagt:

80 cm breite Türen – Rollstuhlfahrergerecht
90 cm – Barrierefrei

Das alleine für sich ist ja schon mal schön……. Aber das man mal darauf einginge, dass Barrierefrei wesentlich mehr ist und das Barrierefrei Tatsächlich Individuell zu sehen ist, davon ist man weit weg……. Es wird irgendwo in einem nebensatz erwähnt, dass Behinderungen ja unterschiedlich sind und man darauf zu achten habe, ja. AAAAAAAAABER:
Das man genau sagt: Barrierefrei ist als Individuell zu sehen und ändert sich von Fall zu Fall, dass wäre mal was tolles………

Es ist mir auch zu einfach hier zu saqgen, dass sei sache der Politiker….. Hier sind auch wir, als Menschen mit Behinderung gefordert!!!!! Wir können/dürfen/müssen auch mal selbst aktiv werden und den Mund aufmachen….. Nicht nur Motzen und Meckern, sondern auch mal klare kante zeigen und sagen was uns nicht passt (wird ja gemacht) und vor allem:
A: Warum passt es uns nicht
B: Was müsste wie verändert werden DAMIT es passend ist!!

Wir sind Leider alle so getacktet, dass wir im Motzen ganz groß sind….. Aber wir vergessen dabei Leider sehr schnell, dass „die anderen“ nicht wissen was wir brauchen und schon gar nicht wie wior es brauchen!!

WIR sind in unseren Sachen die EXPERTEN!!!

Marion
Antwort auf  Uwe N.
18.06.2023 10:34

Hallo Uwe,

das sehe ich genauso, aber Baurecht ist leider Ländersache und somit finden sich wenig einheitliche Regelungen.

Problematisch ist der Bestandsbau (noch problematischer der Altbau), denn oft aus vielen Gründen kann dieser nicht barrierefrei umgebaut werden. Das fängt mit der Türverbreiterung und damit Änderung der Statik des Bau’s an

Beispiel sind Zuwegungen zu den Praxen. Keine Rampe aber eine Eingangstreppe. Rampe baulich nicht möglich, da sonst die barrierefreie Nutzung des Gehwegs entfällt.

Barrierefreiheit hat eben seine eigenen Hürden und die sind manchmal schwer überwindbar.

Forderungen sind daher zwar gut, aber ich wünsche mir, dass Forderer sich dann auch vorab mit dem Baurecht befassen und vor der Forderung Lösungen erarbeiten, die sich sowohl von der Statik realisieren lassen, als auch im allgemeinen Recht.

Woe wäre es mal, wenn betroffene sich hinsetzen würden und einen „Gesetzesentwurf“ unter Berücksichtigung aller rechtlichen Normen und Vorschriften gestalten?