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ABiD-Institut mit weiterem Kolloquium zur Geschichte des Lebens mit Behinderungen

Logo mit den Buchstaben IB&P sowie dem Text ABiD-Institut Behinderung & Partizipation
Logo des ABiD-Institut Behinderung & Partizipation
Foto: ABiD-Institut B&T

BERLIN (kobinet) Nach einem ersten Kolloquium des ABiD-Institutes "Behinderung und Partizipation" (IB&P), das unter der Überschrift "Im Gedenken an Ilja Seifert - Menschen mit Behinderungen in Ostdeutschland" gestanden hatte, fand vor wenigen Tagen das zweite Kolloquium dieses Institutes statt. Dieses Mal stand die Rolle von Menschen mit Behinderungen bei der Wahl der Volkskammer der DDR am 18. März 1990 im Mittelpunkt der Veranstaltung. Das ABiD-Institut setzt somit seinen Weg fort, gestützt auf den Nachlass von Ilja Seifert, die Geschichte des Lebens mit Behinderung zu erforschen und aufzuarbeiten.

Das Kolloquium gestaltete sich zum interessanten Austausch und zur lebendige Debatte des Geschehens um die Rolle von Menschen mit Behinderungen bei der Volkskammerwahl im Jahr 1990 zwischen den Mitgliedern des ABiD-Institutes sowie dem teilnehmenden stellvertretenden Geschäftsführer der Rosa-Luxemburg-Stiftung Gerd-Rüdiger Stephan und Bert Olbrich, einem Mitarbeiter des Archivs dieser Stiftung.

Nach einem Einstiegsvortrag des IB&P-Vorsitzenden Dr. Karsten Lippmann entwickelte sich ein intensiver Gedankenaustausch mit Dr. Siegfried Hegenbarth, der in der Zeit von 1990 bis 1994 Mitarbeiter des Abgeordneten Ilja Seifert war. In Verbindung mit seinen Ausführungen wurde vor allem über jene enorme Aufbruchsstimmung gesprochen, die im Herbst `89 geherrscht hatte. Damit waren viel Hoffnung auf Veränderungen zum Positiven verbunden. So hofften damals, so erzählte Siegfried Hegenbarth, 70 Prozent der Schwerbehinderten in der „Noch-DDR“ auf einen festen Arbeitsplatz im geeinten Deutschland. Wie er weiter berichtet, war es damals sehr schwer, verständlich zu machen, dass ab dem Januar 1990 eigentlich alles den Charakter von Vorläufigkeiten hatte.

In der am 18. März gewählten Volkskammer der DDR waren auch drei Abgeordnete mit sichtbaren Behinderungen, die, unabhängig von der Parteizugehörigkeit bemüht waren, gute Bedingungen für Menschen mit Behinderungen in den Prozess der Vereinigung einzubringen. In der Volkskammer gab es, das bestätigt auch Siegfried Hegenbarth als Zeuge der damaligen Zeit, viele Vorschläge zur Lage von Menschen mit Behinderungen, so den Wunsch, Chancengleichheit und Selbstbestimmung als Verfassungsrechte zu verankern. Zugleich wurden aber auch Grundsätze in Frage gestellt. Mit der Einführung der D-Mark und mit dem 3. Oktober wurden aber, so die Zeitzeugen, viele gute Absichtserklärungen der Volkskammer der DDR von der Realität überholt. Zugleich entwickelten sich aus Kontakten zu Behindertenverbänden der „alten BRD“ viele Denkansätze und Überlegungen dazu, welche positiven Effekte nach der Deutschen Einheit für ein Leben mit Behinderungen im geeinten Deutschland möglich werden könnten.

Nach dem Tod des Gründungsvorsitzenden des ABiD-Institutes, Ilja Seifert, hat dieses Kolloquium die Fähigkeit des Institutes gezeigt, weiterhin wichtige und attraktive Veranstaltungen zu behindertenpolitischen Themen durchzuführen und diese auch im hybriden Format zu organisieren. Diese Veranstaltung hat zudem deutlich gemacht, dass sehr viele Aspekte der Geschichte in der Behindertenpolitik bisher völlig ungenügend wissenschaftlich aufgearbeitet sind, es noch sehr viele offene Fragen gibt, welche in absehbarer Zeit zu beantworten wären, und das vor allem auch durch von Behinderung Betroffene selbst, also von Verbänden wie das ABiD-Institut „Behinderung und Partizipation“.

Möglichkeiten dazu gibt es noch sehr viele, wie Bert Olbrich mit seiner ausführliche Beschreibung der dazu verfügbaren Archiv-Bestände an Unterlagen der Parteien, Zuschriften an Parteien und die Volkskammer der DDR, Plakatbestände, Fotos und Tonaufnahmen deutlich machte.

Positiv ist zudem das Interesse für das Kolloquium und das dabei behandelte Thema zu bewerten. Im weiteren Jahresverlauf möchte das ABiD-Institut gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Veranstaltung zur Lyrik von Ilja Seifert durchführen. Bei diesem Ereignis wird es also um eine weitere Seite des Ilja Seifert, um in Versen verpackte Erfahrung eines Lebens mit Behinderung, gehen. Es kann wohl erwartet werden, dass es auch daran ein breites Interesse geben wird.