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Bremische Bürgerschaft behinderter Menschen mal ganz anders

Flagge Bundesland Bremen
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Foto: Gemeinfrei, public domain

Bremen (kobinet) Am 20. November hätte die 26. Bremische Bürgerschaft behinderter Menschen tagen sollen. Angesichts der verschärften Corona-Situation und aufgrund der gebotenen Kontaktreduzierung war das aber nicht in der geplanten Form möglich. Gerald Wagner von der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen Bremen hat dazu den kobinet-nachrichten einen Bericht über die etwas andere Veranstaltung geschickt.

Bericht von Gerald Wagner

Am 20.11.2020 hätte das 26. Bremische Bürgerschaft behinderter Menschen tagen sollen. Angesichts der verschärften Corona-Situation und aufgrund der gebotenen Kontaktreduzierung war das aber nicht in der geplanten Form möglich. „Wir werden dieses Parlament nachholen, sobald es möglich ist. Wir werden auch weitere Aktionsformen entwickeln, um unsere Interessen und Belange immer wieder in das Bewusstsein zu rücken, damit die Teilhabe und Selbstbestimmung nicht schrittweise zurückgedrängt wird, immer mit dem Argument der Pandemiebekämpfung,“ so der Präsident des 26. Bremer Behindertenparlaments, Dr. Joachim Steinbrück. Zuvor hatte Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff auch in diesem ungewöhnlichen Format die Glocke des Parlamentspräsidenten an Dr. Steinbrück übergeben. Im Anschluss diskutierten unter dem Titel „Behindertenparlament EXTRA“ Behindertenparlamentspräsident Dr. Joachim Steinbrück und seine Beisitzer*innen im Präsidium Bettina Fenzel und Dominik Meine mit Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff, Sozialstaatsrat Jan Fries und dem Landesbehindertenbeauftragten Arne Frankenstein die Herausforderungen hinsichtlich der Lage von Menschen mit Behinderungen und psychosozialen Gesundheitsproblemen in der Pandemie.

Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff stellte unter anderem klar, dass Parlamente und Regierungen mit ihren Entscheidungen einen verlässlichen Rahmen für die Pandemiebekämpfung schaffen müssen. Die Verantwortung dürfe nicht immer mehr in die Gerichte verlagert werden. Der Landesbehindertenbeauftragte Arne Frankenstein betonte, dass Corona bei Familien mit behinderten Kindern, bei Kita- und Schulkindern mit besonderen Förderbedarfen, Werkstattbeschäftigten und Menschen mit psychosozialen Gesundheitsproblemen schon bestehende Problemlagen verschärft und auch neue schafft: Isolation, Druck durch neue Ängste, neue Diskriminierungserfahrungen, z.B. bei Auseinandersetzungen um das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen und vieles mehr seien Beispiele dafür. Sozialstaatsrat Jan Fries wurden von Dominik Meine, Beschäftigter der Elbe-Weser-Welten in Bremerhaven, die Sorgen und Nöte der Werkstattbeschäftigten geschildert, denen dringend eine Perspektive aufgezeigt werden müsse, sowohl in der Zeit der Pandemie, als auch danach. Und Bettina Fenzel, politisch aktiv in der behindertenpolitischen Arbeitsgemeinschaft der LINKS-Partei, forderte ein, dass bei den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung keine Zwei-Klassen-Gesellschaft entstehen dürfe, z.B. wenn die einen sich teure Masken leisten können, andere mit Grundsicherung aber nicht.

Die Beschlussvorschläge der Behindertenverbände und Behindertenparlamentarier*innen wurden in diesem Jahr im Vorfeld in Konferenzen abgestimmt und beschlossen und im Rahmen des „Behindertenparlament EXTRA“ an Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff und Sozialstaatsrat Jan Fries symbolisch übergeben – zusammen mit einer Erinnerung an das 25. Bremer Behindertenparlament im vergangenen Jahr, in Form einer Collage mit Bildern aus vergangenen Behindertenparlamenten. Der Beschluss 26-01 enthält eine Zusammenfassung von Maßnahmenvorschlägen für den neuen Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Land Bremen. Dazu reichten wir zusätzlich eine Ergänzung der Blauen Karawane zum Punkt 5.2 in diesem Beschluss ein, verbunden mit der Bitte, den Punkt 5.2. in dieser Form als Maßnahmenvorschlag bei der Neufassung des Landesaktionsplans zu berücksichtigen.

Der Beschluss 26-02 fordert, dass endlich das Medizinische Zentrum für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) in Betrieb genommen wird und im 2019 vertagten Beschluss 26-03 geht es um bessere Bedingungen behinderter Menschen in der Arbeitswelt. Im Beschluss 26-02 zur Sicherung der Teilhabe behinderter Menschen in Zeiten der Pandemie sind zahlreiche Forderungen enthalten, die im Behindertenparlament EXTRA diskutiert wurden.

Wie jede Sitzung der Bürgerschaft und des Behindertenparlaments wurde auch das „Behindertenparlament EXTRA“ bei Radio Weser TV sowie im Live-Stream auf den Internetseiten der Bremischen Bürgerschaft, des AK Bremer Protest und der LAG Selbsthilfe direkt übertragen. Untertitelungen von Schriftdolmetscherinnen und zwei Gebärdendolmetscherinnen sorgten für barrierefreie Teilhabe hörgeschädigter und gehörloser Zuschauer*innen an den Bildschirmen. Diese Unterstützung steht sonst auch für die Parlamentarier*innen und Gäste zur Verfügung – doch die konnten angesichts der Lage leider nicht dabei sein, das war dieses Mal sicherer so.

An dieser Stelle bedanken wir uns beim Präsidium und bei der Verwaltung der Bremischen Bürgerschaft sehr herzlich für die Unterstützung, dass wir in dieser Form dieses wichtige Element politischer Interessenvertretung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und psychosozialen Gesundheitsproblemen in diesem ungewöhnlichen Format durchführen konnten. „Wir sehen uns im nächsten Jahr hoffentlich im Haus der Bremischen Bürgerschaft wieder“, so Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff. Dankeschön, Herr Präsident, das wäre schön und darauf freuen wir uns!

Dieses ungewöhnliche Format hatte eine große Reichweite im Internet. Allein am Freitag wurde die Internetseite akbremerprotest.de rund 1.500 Mal aufgerufen mit mehr als 8000 Klicks. Auf Facebook gab es 723 erreichte Personen mit den Berichten zum Behindertenparlament EXTRA. Im Fernsehen wurde im Bremer Regionalfernsehen Buten un Binnen und auf SAT 1 regional berichtet.