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Für ein Barrierefreiheitsgesetz, das seinen Namen verdient

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Foto: omp

Berlin (kobinet) Heute wird das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in den Bundestag ohne die sonst übliche Debatte eingebracht. Behindertenverbände, wie beispielsweise die Intereessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) und der Sozialverband Deutschland (SoVD), richten daher einen erneuten Appell an den Bundestag, um die Forderungen und den nötigen Handlungsbedarf eindrücklich aufzuzeigen. "Denn es ist noch nicht zu spät für Bewegung im Prozess und Nachbesserungen für ein echtes Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das seinen Namen verdient hat", betonte die ISL. Der SoVD kritisiert: "Ein bisschen Barrierefreiheit irgendwann - das reicht nicht".

„Es ist eine Schande, dass ein Thema, welches so essentiell für die nächsten Jahrzehnte sein wird, im Bundestag nicht für die Debatte vorgesehen ist, stattdessen in einem vereinfachten Verfahren noch schneller abgefrühstückt werden soll“, empört sich Jessica Schröder von der ISL. Weiter kommentiert sie: „In so vielen Bereichen sprechen wir über und pochen wir auf Nachhaltigkeit. Und das zu Recht. Dass eine umfassende Barrierefreiheit das nachhaltigste Instrument ist, eine Gesellschaft inklusiv zu gestalten, wird aber immer noch verkannt. Frei nach dem Motto ‚Mich betrifft es ja nicht!'“.

Die ISL kritisiert, dass sich das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ausschließlich an digitale Produkte und Dienstleistungen richte. Und dies auch nur in wenigen Bereichen der Privatwirtschaft. Es lasse, zumindest im aktuellen Regierungsentwurf, die privatwirtschaftliche Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung der baulichen Umwelt völlig außer Acht. Diese Vernachlässigung sei ein klarer Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), zu dessen Umsetzung sich Deutschland und seine Bundesländer durch die 2009 erfolgte Ratifikation verpflichtet haben. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz biete nun die Chance, Barrierefreiheit nicht länger als Sonderthema zu behandeln, das nur in Behörden gelebte Praxis ist. „Echte Barrierefreiheit ist nur dann erfüllt, wenn das wirkliche Leben inklusiv – und vor allem für ALLE – stattfinden kann. Liebe Abgeordnete, setzen Sie sich JETZT für ein echtes Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ein“, so der Appell der ISL.

Link zu den Forderungen zur Umsetzung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes der ISL:
ISL-Forderungen zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz BFSG (isl-ev.de)

Menschen mit Behinderungen mussten in der Pandemie bisher erleben, dass der Weg hin zu einer inklusiven Gesellschaft noch weit ist. Sie haben sich oft vergessen oder mit ihren Belangen nicht ernst genommen gefühlt. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) sieht die Gefahr, dass sich diese Tendenz weiter fortsetzt. Anlass für die Sorge ist der Entwurf des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG). „Das Gesetz bietet die Chance, gesellschaftliche Teilhabe im Alltag für Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen deutlich zu verbessern. Dafür müsste der vorliegende Gesetzentwurf allerdings an einigen Stellen deutlich nachgebessert werden. Wenn er ohne eine ernsthafte Debatte und Änderungen einfach so durchgewunken wird, ist das ein katastrophales Signal an die Betroffenen“, mahnt SoVD-Präsident Adolf Bauer.

Das Barrierefreiheitsgesetz gehe auf die EU-Richtlinie European Accessibility Act (EAA) zurück und soll private Wirtschaftsakteure zur Barrierefreiheit verpflichten. „Wir begrüßen sehr, dass die Privatwirtschaft nun endlich zur Barrierefreiheit verpflichtet werden soll. Digitale Angebote sind mehr und mehr auf dem Vormarsch. Insofern ist digitale Barrierefreiheit unumgänglich. Allerdings fordern wir, dass es eine umfängliche Verpflichtung zur Barrierefreiheit geben muss. Das bedeutet, dass das Gesetz auch bauliche Barrieren abbauen sollte. Es ist schlichtweg nicht zielführend, wenn beispielsweise der Bankautomat barrierefrei bedienbar, aber der Weg dorthin unüberwindbar ist“, erklärt Adolf Bauer.

Ebenso kritisch sieht der SoVD-Präsident die im Gesetzentwurf geplanten Fristen. Die Corona-Pandemie habe der Digitalisierung in Deutschland einen regelrechten Schub verpasst. „Wir haben in den letzten Monaten gesehen, was alles möglich ist, wenn es nötig ist. Die vielen digitalen Angebote bieten Menschen mit Behinderungen auf der einen Seite ganz neue Möglichkeiten, aber auf der anderen Seite können sie auch wiederum Menschen ausgrenzen. Genau das gilt es aber zu verhindern. Dafür müssen die Fristen im BFSG deutlich verkürzt werden. Es ist schlicht nicht vermittelbar, dass der Online-Handel erst 2030, Geldautomaten sogar erst 2040 barrierefrei werden sollen. Wir brauchen jetzt das klare Signal, dass zügig auf Barrierefreiheit umzustellen ist.“

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) hat ebenfalls kritisiert, dass die Umsetzung der Barrierefreiheit lediglich eine lästige Pflichtaufgabe für die Abgeordneten zu sein scheint.

Link zum Bericht über die Kritik des DBSV