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Schlichtungsstelle für verständliche Durchsagen angerufen

Sharepic: Nur die Hälfte der Deutschen versteht Hinweisschilder oder Durchsagen im öffentlichen Verkehr
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Foto: Aktion Mensch

Kassel / Berlin (kobinet) "Nur die Hälfte der Deutschen versteht Hinweisschilder oder Durchsagen im öffentlichen Verkehr". Darauf hat die Aktion Mensch auf Facebook hingewiesen und trifft damit auch einen Nerv bei vielen blinden und sehbehinderten Menschen, die bei der Nutzung von Bussen und Bahnen beispielsweise auf gut verständliche und verlässliche Durchsagen angewiesen sind. Die mit fehlenden oder qualitativ schlechten Durchsagen verbundenen Benachteiligungen haben Ottmar Miles-Paul vom NETZWERK ARTIKEL 3 veranlasst, diesbezüglich die Schlichtungsstelle nach dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz für eine entsprechende Schlichtung mit dem Bundesverkehrsministerium einzuschalten.

„Wer regelmäßig mit Bussen und Bahnen unterwegs ist, dürfte das Problem kennen, dass die Durchsagen oft schlecht verständlich sind oder überhaupt nicht darauf hingewiesen wird, welches beispielsweise die nächste Haltestelle ist. So bewge ich mich als sehbehinderter Menschen oft im wahrsten Sinne des Wortes im ‚Blindflug‘ wo ich aussteigen muss. Und auch Menschen mit anderen Einschränkungen erleben massive Probleme in Sachen Informationspolitik vieler Verkehrsunternehmen. Das Fragen von Mitreisenden ist bei den Kopfhörern, die viele Leute aufhaben, auch nicht mehr so leicht wie früher“, beschreibt Ottmar Miles-Paul das Problem. Für ihn und andere Betroffene ist wichtig, dass die Fahrgastinformationen in guter Qualität im Zwei-Sinne-Prinzip, in diesem Fall beispielsweie Hören und Sehen, dargestellt werden.

Nach einer entsprechenden Eingabe bei der Schlichtungsstelle zum Bundesbehindertengleichstellungsgesetz im September 2022 folgte Ende November 2022 die Stellungnahme des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, die Ottmar Miles-Paul so aber nicht stehen lassen möchte. Anfang Januar 2023 hat er deshalb fristgerecht eine entsprechende Erwiderung bei der Schlichtungsstelle eingereicht.

Die Einschätzung des Ministeriums, wonach die Einhaltung des Zwei-Sinne-Prinzips inzwischen in den meisten Verkehrsunternehmen übliche Praxis sei, sieht und hört Ottmar Miles-Paul beispielsweise in seiner Praxis noch längst nicht als gegeben. Den bloßen Verweis auf die Zuständigkeit der Länder bzw. auf Regelungen in den Nahverkehrsplänen lässt Ottmar Miles-Paul gerade im Hinblick auf die 1,5 Milliarden Euro, die zukünftig zur Finanzierung des 49-Euro-Tickets vom Bund an die Länder gezahlt werden sollen, nicht gelten. Der Bund soll seiner Meinung nach seinen Einfluss geltend machen, dass die Barrierefreiheit auch im Bereich der Informationen und Durchsagen im öffentlichen Nah- und Fernverkehr möglichst einheitlich sichergestellt wird. Es können nicht sein, dass die Betroffenen sich hier über die Dörfer kämpfen müssen, um barrierefrei öffentliche Verkehrsmittel nutzen zu können.

„Im Auftrag des BMDV erfolgt derzeit eine Ex-post-Evaluation gesetzlicher Regelungen und Instrumente zur Herstellung der Barrierefreiheit im Bereich Verkehr, welche im kommenden Jahr (also 2023 – Anmerkung von Ottmar Miles-Paul) abgeschlossen werden soll. In diesem Zusammenhang werden auch Empfehlungen zur Weiterentwicklung des rechtlichen Rahmens sowie Vorschläge zur Behebung bestehender Umsetzungsdefizite erarbeitet. Nach Abschluss des Forschungsvorhabens und Auswertung der dort gewonnenen Erkenntnisse soll zudem entschieden werden, wie und wann der im Koalitionsvertrag enthaltene Auftrag, die Ausnahmen vom Ziel der Herstellung vollständiger Barrierefreiheit im ÖPNV im PBefG bis 2026 gänzlich abzuschaffen, umgesetzt werden kann“, heißt es in der Stellungnahme des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr vom 29.11.2022 zur Eingabe von Ottmar Miles-Paul.

Dies mag zwar interessant klingen, ist dem Behindertenrechtler jedoch zu wenig. „Es dürfte doch kein Hexenwerk sein, dass das Bundesministerium für Digitales und Verkehr ein Rundschreiben an die Verkehrsunternehmen, die Länder und für die Betroffenen verfasst, indem klar gestellt wird, dass qualitativ gute Durchsagen und Information im Zwei-Sinne-Prinzip zu erfolgen haben und zu den Anforderungen zur Barrierefreiheit gehören. Mit einem solchen Schreiben im Rücken könnten ich und andere Betroffen selbstbewusster gegenüber den Fahrer*innen und Verkehrsbetrieben auftreten. Wer 1,5 Milliarden pro Jahr für Verkehrsleistungen zuschießt, wie der Bund dies zukünftig für das 49 Euro Ticket plant, wird wohl auch bei diesem Thema einmal seine Stimme erheben können, anstatt lediglich abwiegelnde Stellungnahmen zu schreiben“, zeigt sich Ottmar Miles-Paul mit dem bisherigen Verlauf des Schichtungsverfahrens im Hinblick auf den Umgang des Verkehrsministeriums äusserst unzufrieden.