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Ausschluss von Rollstuhlfahrern im Schiffsverkehr am Bodensee – Hafeninfrastruktur barrierefrei machen

Portraifoto von Dennis Riehle
ABiD-Sozialberater Dennis Riehle
Foto: privat

Berlin (kobinet) Was haben der Klimawandel und Behinderungen miteinander zu tun? Rollstuhlfahrer haben die Zusammenhänge in diesem Jahr spüren können. An Flüssen und Gewässern konnten sie oftmals nicht mehr in Schiffen mitgenommen werden, weil die Pegel derart niedrig waren, dass Rampen in bedrohlichem Winkel standen. Auch am Bodensee mussten Menschen mit Gehbeeinträchtigung Nachteile in Kauf nehmen: Aus Sicherheitsgründen war ihnen der Zugang zu den Booten an verschiedenen Häfen verwehrt, wäre doch die Abschüssigkeit mit den Hilfsmitteln nicht zu bewältigen gewesen. Und dass solche Zustände in Zukunft öfter vorkommen dürften, dafür haben die niedrigen Wasserstände 2022 ein Vorzeichen gegeben. Deshalb fordert der Allgemeine Behindertenverband in Deutschland (ABiD), dass auch die Infrastruktur an den Anlegestellen nachgebessert wird.

„Wir investieren im Moment zwar vielerorts in Barrierefreiheit und bauen Hürden für Menschen mit Handicap ab. An die Häfen hat dabei aber kaum jemand gedacht“, macht der Konstanzer Sozialberater des ABiD, Dennis Riehle, deutlich. Eine Ausgrenzung gehbehinderter Passagiere im Schiffsbetrieb sei dauerhaft nicht hinnehmbar, erläuterte der 37-Jährige angesichts der wochenlangen Sperre für Rollstuhlfahrer an mehreren Häfen des Unter- und Obersees: „Es braucht eine Absenkung der Molen und Anlegestellen, entsprechend der Tendenz zu mehr Niedrigwasser“, so Riehle. Alternativ sei auch an mobile Erhöhungen der Schiffstüren zu denken, damit sich das Niveau zwischen Boot und Festland anpassen lasse und Rampen nicht mehr derart stark bergab führen müssten wie im Augenblick.

„Das muss eine Gemeinschaftsaufgabe des Staates und der Schiffsverkehrsbetriebe werden. Vergleichen wir das mit anderen Ländern, sind wir in erheblichem Verzug, weil wir den Fokus zu sehr auf Bahnhöfe und Bushaltestellen legen. Es besteht dringender Nachholbedarf in diesem Aspekt und wir können es uns als inkludierende und tolerante Gesellschaft nicht mehr leisten, Rollstuhlfahrer aufgrund sinkender Wasserstände von der Teilnahme an Bootsfahrten auf den Fließgewässern und Seen der Republik auszuschließen. Als hätten wir nicht gewusst, dass die heißeren Sommer zu tendenziell niedrigeren Pegeln führen, haben wir die Augen vor diesem Problem verschlossen, weil behinderten Menschen der zeitweilige Ausschluss von der Mitfahrt in Schiffen zuzumuten sei“, meint Riehle – und fügt abschließend an: „Das ist schlussendlich eine dekadente Haltung derjenigen ohne Handicap. Heute muss Barrierefreiheit nicht nur die zwingend notwendigen Lebensumwelt umfassen, sondern auch den Freizeitbereich. Es steht eben gerade den Nicht-Beeinträchtigten in keinerlei Weise zu, Prioritäten aus ihrer Sicht zu definieren. Stattdessen müssen unsere Bemühungen auch da ansetzen, wo sie aus Perspektive von Menschen ohne Behinderung weniger dringlich sind. Das gebietet der Respekt vor der Integration“.