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Horst Frehe zieht Konsequenzen aus Stillstand beim Bundesteilhabegesetz

Horst Frehe
Horst Frehe
Foto: Franziska Vu

Bremen (kobinet) Horst Frehe, der die Behindertenbewegung und die Behindertenpolitik seit Jahrzehnten mit seinen Vorschlägen und vor allem mit seinem enormen Durchhaltevermögen prägt, ist nun der Kragen geplatzt. Seit 1. Januar 2020 ist die im Bundesteilhabegesetz verankerte Reform der Eingliederungshilfe in Kraft, die eigentlich Personenzentrierung und mehr Selbstbestimmung bringen soll. Weil dieser Prozess gerade auch in Bremen so schleppend vorankommt, hat Horst Frehe diesen Stillstand und die Geringschätzung der Selbstvertretung behinderter Menschen nicht nur kritisiert. Der ehemalige Bremer Sozialstaatsrat stieg nun aus den Gremien der Vertragskommission für die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Bremen aus, wie der Weser Kurier mit der Überschrift "Stillstand frustriert Aktivisten" berichtet.

„Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG), das die Situation behinderter Menschen verbessern soll, kommt in Bremen nur stockend voran, und daraus hat nun einer der bekanntesten Behindertenrechtsaktivisten persönliche Konsequenzen gezogen: Der frühere Staatsrat im Sozialressort Horst Frehe beendet seine Mitarbeit in den zuständigen Gremien. Er sehe keine Möglichkeit mehr, ‚einen sinnvollen Beitrag im Interesse behinderter Menschen in diesen Gremien zu leisten‘, schreibt Frehe in einem Brief, der an seine frühere Behörde und den Landesbehindertenbeauftragten Arne Frankenstein gerichtet ist“, heißt es in einem Bericht von Jürgen Theiner im Weser Kurier.

Link zum Bericht des Weser Kurier

Kommentar von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul

Horst Frehe bringt mit dieser Kritik und letztendlich mit seinen persönlichen Konsequenzen auf den Punkt, wie es vielen behinderten Menschen geht, die sich in Gremien zur Umsetzung oder Weiterentwicklung von Gesetzen und Regelungen engagieren, die angesichts der Verpflichtung Deutschlands zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention längst selbstverständlich sein sollten. Einen unendlichen Frust ob des Stillstands an so vielen Stellen. Einen Frust darüber, wie sich die Lebenssituation vieler behinderter Menschen von dem unterscheidet, was in Gesetzen steht, bzw. gepredigt wird.

Längst überfällige Entscheidungen oder Regelungen werden durch mühsame Diskussionen, Evaluationsprozesse oder elendig zähe Verhandlungen verschleppt. Und obwohl eine gleichberechtigte Partizipation Standard sein sollte, fühlen sich behinderte Menschen in solchen Gremien meist wie am Katzentisch der Übermacht der Interessen von Kostenträgern und Leistungserbringer. Während behinderte Menschen diese Interessenvertretung zudem meist ehrenamtlich erbringen müssen, können die anderen Teilnehmer*innen an solchen Verhandlungen ihr Wirken hauptberuflich und meist gut bezahlt ausüben. Zudem verfügung diese häufig über ergänzenden juristischen Sachverstand, den sie hinzuziehen können. Diejenigen, die die tiefen Ebenen der Praxis erleben müssen, sind häufig angesichts einer solchen Übermacht bloße Zaungäste, denen meist zwar höflich zugehört wird, aber deren Meinung im Spiel der großen Interessen nur sehr bedingten Einfluss hat.

Ob der Rückzug aus solchen Gremien die Lösung ist, darüber mag man streiten. Aber das unmissverständliche Zeichen von Horst Frehe, das dieser mit seinem Rückzug aus den Vertragsverhandlungen zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Bremen im nun fast abgeschlossenen Jahr Drei nach der Reform der Eingliederungshilfe gesetzt hat, schallt gerade im Vorfeld des 3. Dezember, dem internationalen Tag behinderter Menschen, passend und hoffentlich laut durch die Republik. Horst Frehe legt damit den Finger in eine Wunde, die meist im Hintergrund vor sich hinblutet.